Pioniere sind die Träger jeder Entwicklung. Ohne sie gibt es nur Stillstand. Dennoch rennen sie alle gegen Widerstände und manche zerbrechen daran.
Warum diese Gegenkraft und woher nehmen Pioniere dennoch ihre Energie?

 

Ferdinand Ohms-pixelio.de

Menschen, die etwas verändern wollen, brauchen Mut. Es ist vollkommen gleichgültig, worum es sich dabei handelt. Das mag eine neue Idee sein, ein Vorschlag, eine neue Vorgehensweise – immer steht da eine Wand aus dicken Brettern, an der man sich die Nase blutig schlägt.

Walt Disney beispielsweise wurde in seiner ersten Arbeitsstelle bei einer Zeitung wegen Phantasielosigkeit und Mangel an Ideen gekündigt. Kann diese Beurteilung richtig gewesen sein? Wohl kaum. Denn woher sollte dann plötzlich seine überschäumende Kreativität gekommen sein, die über Jahrzehnte fruchtbar blieb?

Abraham Lincoln war ein Experte des Scheiterns. Seine Versuche als Geschäftsmann blieben erfolglos und als er Präsident wurde, hatte er nicht weniger als acht Wahlen verloren, dafür aber einen Nervenzusammenbruch erlitten. Auch James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine, litt mitsamt seiner Familie Hunger, ehe sein späterer Partner, Matthew Boulton, sagen konnte: „Wir verkaufen etwas, was jedermann braucht: Energie!“

Die Herausforderung für Pioniere: Engagement und Begeisterung

Die Kunst Menschen zu führen besteht heute in der Herstellung eines Klimas, welches Engagement und Kooperation errichtet und alle mit Begeisterung an einem Strang ziehen lässt. Aber jeder, der diesen Weg einschlägt, muss mit massiven Widerständen rechnen. „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“, wie mir ein Coachee einmal anvertraute. Ein Abteilungsleiter, der an seinen Vorständen verzweifelte.

Angesichts solcher Erlebnisse kann einem der Glaube an die menschliche Vernunft schwinden. Denn häufig schadet solcher Widerstand dem Unternehmen oder gefährdet es sogar. „Wir können uns keine Innovation leisten, denn das könnte gefährlich sein!“ Dieser Satz perlte kürzlich von den Lippen des Geschäftsführers eines Unternehmens mit mehreren tausend Mitarbeitern.

Einige Pioniere schaffen es dennoch, was zu drei Fragen führt:

  1. Warum leistet ihre Umgebung immer diesen zermürbenden Widerstand?
  2. Warum haben Pioniere immer starke Selbstzweifel?
  3. Woher nehmen sie die Kraft, das alles durchzustehen?

Woher kommt dieser Widerstand?

Wir Menschen sind als Rudeltiere konstruiert. Wir sind körperlich zwar vergleichsweise schwach, unser großer Trumpf ist aber die Fähigkeit zu kooperieren. Nur dafür – so sind Evolutionsbiologen überzeugt – haben wir dieses einmalig große Gehirn.

Die dunkle Seite davon ist, dass assynchrones Verhalten unverzüglich geahndet wird. Gruppen grenzen alles aus, was den gelebten Gruppenregeln nicht entspricht. Das gilt auch für jeden, der plötzlich andere Ideen hat. Das gilt in Arbeitsteams ebenso wie im Topmanagement. Es herrscht die Champignon-Strategie: kaum schaut ein Kopf oben heraus, wächst von allen Seiten die Neigung ihn zu kappen. Auch das ist unsere Natur und ein wesentliches und viel zu wenig beachtetes Element der Gruppendynamik

So entsteht Bedrohung und ein Klima, das extrem innovations- und kreativitätsfeindlich ist.

Die Selbstzweifel des Pioniers

Pioniere sind Neuerer. Sie sind die Ketzer und Störenfriede der bestehenden und statischen Ordnung. Sie werden unvermeidlich und unverzüglich bestraft. Intrigen, Mobbing (auch von unten nach oben!) und Bossing sind moderne Begriffe dafür. Früher nannte man das Exkommunikation oder Verbannung. Selbstzweifel sind die natürliche Folge des Ausschlusses.

Dies erklärt, warum die Tendenz zur gesellschaftlichen Vereinzelung die Ängste vermehrt und das Engagement zerstört. Viele gute Ideen gehen verloren, weil ihre Träger aufgeben.

Wie Pioniere dennoch zu ihrer Kraft kommen

Warum gibt es trotz all dem Pioniere, die es wagen? Was machen sie anders?

Normalerweise finden Individuen ihre Orientierung in den akzeptierten Werten ihrer Teams, Peergroups oder ähnlicher Referenzgruppen. Was gilt, das gilt eben!

Genau das ist Pionieren nicht möglich. Denn sobald sie dem Gruppendruck nachgeben, ist ihre Innovationskraft zerstört. Um durchzuhalten müssen sie sich daher an etwas anderes halten. Etwas, das außerhalb der Gruppenwerte und über ihnen steht. Sie alle lassen sich von einem höheren Ziel leiten, das Sinn stiftet.

„Ich will Menschen Freude bringen“, sagte beispielsweise Walt Disney und riss seine gesamte Company mit. Die Gebrüder Wright wollten nicht berühmt werden oder reich. Sie wollten nur sehen, ob sie eine Maschine zum Fliegen bringen könnten – und stürzten Dutzende Male ab. Aber es machte ihnen Freude.

„Götter“ sind eine Notwendigkeit für Pioniere

Wir schwingen heute keine Steinäxte mehr. Den Weg dazu ebneten unzählige, unbekannte Pioniere. Sie alle hatten mit den genannten Widerständen zu kämpfen. Um durchzuhalten mussten auch sie sich einen Fixpunkt außerhalb der Gruppenmeinung suchen.

In der damaligen Welt lag es nahe, solche höheren Ziele und Werte zu personifizieren und ihnen einen Namen zu geben.

War eine mit dieser „Instanz“ verbundene Innovation erfolgreich, hatte sie damit ihre Kraft bewiesen. Da standen ihre Chancen gut, als „Gottheit“ in den Kanon der jeweiligen Gesellschaft einzugehen. Vielleicht würde sie später erstarren, zu einem Hindernis weiterer Entwicklung werden.

An ihrem Ursprung aber war sie schiere Notwendigkeit für einen Pionier.

Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.

Heute sprechen wir nicht mehr von Göttern. Aber auch wir haben wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leitwerte, die nur deshalb gelten, weil sie da sind. Ohne dass ein Gedanke darüber verloren würde, woher sie einmal gekommen sind und ob sie immer noch Sinn machen. Auch solche heimlichen Leitwerte sind gottähnliche Instanzen, denn sie steuern unser Leben. Viele von ihnen bereiten uns zunehmend Schwierigkeiten, wie man den täglichen Berichten aus Politik und Wirtschaft entnehmen kann.

Es war Martin Luther, der sagte: „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“

Vielleicht ein guter Anlass, um sich zu überlegen, woran wir als Gesellschaft, als Unternehmen, als Abteilung oder auch als Familie und Einzelperson unser Herz hängen. Und ob an der einen oder anderen Stelle nicht eine Überprüfung und Aktualisierung Sinn machen würde.